Es war einmal ein Land, in dem der Sommer ein Versprechen war. Ein Versprechen auf barfußwarme Bürgersteige, auf Sand zwischen den Zehen und kaltes Bier in der Faust. Ein Land, das Rudi Carrell besang, als wäre der Juni ein Lebensgefühl, nicht nur ein Monat. 1975.
Damals, als das Thermometer noch steigen durfte, ohne dass gleich die Apokalypse ausgerufen wurde.
„Wann wird's mal wieder richtig Sommer?“ sang Rudi, Sie-wissen-schon-Carrell, mit holländisch-deutschem Akzent, und das Publikum summte sommerlich und pfiff. https://www.bing.com/ck/a?!&&p=f03528fd ... SRQ&ntb=1
Denn der Sommer war ein alter Freund, der sich verspätet hatte. Aber keiner kam auf die Idee, ihn gleich wegen unterlassener Hilfeleistung zu verklagen.
Heute jedoch scheint die Sonne unter Verdacht zu stehen. Kaum kriecht das Quecksilber über die 30 Grad, marschieren die Mahner auf. In Talkshows, auf Titelseiten, in den Kommentarspalten, den digitalen Alarmanlagen. „Hitzewelle! Dürre! Wasserknappheit!“ –
Worte, die klingen, als sei der Teufel persönlich in Bermuda-Shorts erschienen.
Was ist geschehen? Wann verwandelte sich der Sommer in ein Menetekel? Wann wurde aus dem Freibadparadies ein Feldlager für Klimakrieger? Es ist, als hätte man die Unbeschwertheit des Seins gegen ein Abonnement bei der Apokalypse AG eingetauscht.
Dabei war Rudis Lied keine bloße Sommernachtsphantasie. Es war auch ein Stück subtiler Zeitkritik, verpackt in sanfte Ironie. Die SPD als Klimasündenbock, ein Kalauer, gewiss, aber auch ein Fingerzeig: Politik als Witzfigur eines Wetterberichtes. Es war die hohe Kunst der Selbstironie, wie sie heute kaum mehr gepflegt wird, in einem Land, in dem jede Witterung sofort ideologisch ausgeleuchtet wird.
„Schuld ist nur die SPD“, wunderbar lakonischer Humor einer Zeit, in der man noch über das Wetter lachen konnte. Heute brüllt das Wetter zurück, mit rot eingefärbten Deutschlandkarten und lila Hitzebildern, die wirken wie die Klimaphantasien eines Wetterdienstes auf Ritalin.
Heute spricht man nicht Sonnenbrand, sondern Hautkrebsrisiko. Nicht von Sommerkleidern, sondern von UV-Belastung. Es ist, als hätte sich ein Schatten über das Sonnenlicht gelegt, ein moralischer Schleier, hinter dem alles, aber auch alles gedämpft wird, was glänzen sollte.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund ruft jetzt zum Wassersparen auf. Gegen das verdorren, damit das Gewissen blüht. In der Altmark wird das Grundwasser rationiert, als sei es Champagner für das gemeine Volk. In Niedersachsen wird bei 27 Grad das Bewässern strafverfolgt.
Doch wer sind diese neuen Priester des Klimakorrektivs, die bei jedem Sommertag den Untergang predigen? Es sind dieselben, die zuvor über die sechs Monate graue Nässe im Lande jammerten. Es ist die deutsche Griesgrämigkeit in ihrer neuesten Verkleidung: klimaideologisch, penetrant, humorlos.
Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die Leichtigkeit des Seins. Der Sommer als Theater des Alltags, als Bühne für Eis am Stiel, Baggersee-Romantik und das zischende Glück zwischen Hopfen und Hefe. Vitamin D kostenlos.
Der Sommer war einst eine Einladung zum Leben. Heute ist auch er ein Politikum. Und das ist schade. Denn wer die Sonne fürchtet, hat die Freude verlernt. Und wer in jedem warmen Tag eine Katastrophe sieht, wird nie begreifen, dass ein gutes Leben auch heiß sein darf.
„Wann wird's mal wieder richtig Sommer?“ Und ich füge leise hinzu: „Wann wird das Leben mal wieder leicht?“
Vielleicht dann, wenn wir aufhören, aus jeder Wetterlage ein Weltuntergangsszenario zu zimmern. Wenn wir wieder lachen dürfen über Sonne, Schwüle und schwitzende Schutzmänner. Wenn wir erkennen, dass ein Sommer kein Feind ist, sondern ein Fest.
Mit Männern in kurzärmeligen [sic.] Hosen. Frauen, die feine Sommerkleider aus leichtem Stoff tragen – statt Altkleider aus dem Container.
Es ist ein Hauch der beschwingten Sommerlaune, der sich mit Sonnen-Cremduft und dem prickelnden Gaumengefühl zwischen Cornetto-Lust und Champagnerseeligkeit beim Baggersee oder einem-Turnier verfängt.
Denn eines ist sicher: Wer in der Sonne steht, hat keinen Schatten. Außer den eigenen.
Wann wird's mal wieder richtig Sommer?
- Dieter Malgadey
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